Praxisanleiterin Linda
Frau Kolossa, wie ist Ihr Arbeitsalltag als Praxisanleiterin?
Ich bin für meine Arbeit als Praxisanleiterin – oder wir sagen auch Mentorin – freigestellt. Das ist nicht in allen Einrichtungen so. Ich arbeite ganz eng mit unserer Heimleiterin und der Pflegedienstleitung zusammen. Wenn ich sage, ich brauche mit einer bestimmten Schülerin ein oder zwei Tage, um ihr bestimmte Dinge noch einmal zu zeigen, dann wird das ohne Nachfrage organisiert. Die Schülerinnen sind immer froh, wenn sie Zeit mit mir haben, in der uns niemand stört.
Außerdem organisiere ich Azubi-Events, zum Beispiel einen gemeinsamen Kaffeeklatsch mit den ausscheidenden Azubis im dritten Lehrjahr und den neuen, die danach mit der Ausbildung anfangen. Oder den jährlichen Azubi-Tag gemeinsam mit einer Partnereinrichtung. Früher wurde da hauptsächlich Frontalunterricht gemacht, heute schicke ich die jungen Leute mit verbundenen Augen in die Stadt, wo sie sich gegenseitig herumführen, um ein Gefühl für Sehbehinderungen zu bekommen. Oder ich gebe ihnen einen Fragebogen, den sie sich in einer sozialtherapeutischen Wohnstätte beantworten lassen sollen. Anschließend bereiten sie zusammen eine Präsentation vor. Interaktivität und Gruppenarbeit sind gefragt.
Wie war ihr eigener Werdegang?
Ich habe die Schule nach der 10. Klasse mit dem mittleren Schulabschluss abgeschlossen und Ergotherapeutin gelernt. Nach drei Jahren Ausbildung habe ich leider die Prüfung nicht bestanden. Das war ein steiniger Weg, aber heute hilft mir diese Erfahrung, mich in die Azubis hineinzuversetzen und ihre Sorgen zu verstehen. Nach einem Übergangsjahr habe ich meine Altenpflege-Ausbildung im Diakonissenkrankenhaus gemacht und es diesmal auch geschafft! Ich wurde übernommen, habe zwei Jahre Berufserfahrung gesammelt und wurde dann angesprochen, ob ich nicht Lust auf die Weiterbildung zur Praxisanleiterin habe. Niemand anders konnte sich vorstellen, diese Aufgabe zu übernehmen und mir hat es schon immer Spaß gemacht, junge Leute an die Hand zu nehmen.
Warum konnte es sich niemand anders vorstellen?
Es gibt eine Art Generationenkonflikt zwischen den jungen und den erfahrenen Pflegekräften. Als ich lernte, war es noch so, dass wir Azubis und die Praktikanten unsere Pause in einem anderen Raum verbringen mussten als die examinierten Pflegekräfte. Auch zu den Weihnachtsfeiern nahmen die Wohnbereiche ihre Azubis nicht mit. Ich verstehe da beide Seiten: Für den Azubi fühlt es sich nicht schön an, ausgeschlossen zu werden. Andererseits ist es nach vielen Jahren in der Pflege nicht so leicht, sich ständig auf neue Kollegen einzulassen. Phasenweise kommt monatlich ein neuer Kollege, dazwischen noch Praktikanten. Da setzt man sich irgendwann Scheuklappen auf. Manchmal möchte man mit den langjährigen Kollegen in der Pause private Dinge besprechen, die die Neuen nicht hören sollen. Und die jungen Leute von heute anzuleiten, kann wirklich anstrengend sein.
Wie erleben Sie die Generation Y?
Jeder Azubi hat seinen eigenen Charakter, manche brauchen länger als andere. Mir fällt aber auf, dass wir mit den ganz jungen Schülerinnen und Praktikanten wirklich flächendeckend bei null anfangen. Sie haben zu Hause nicht gelernt, wie man ein Bett bezieht oder den Tisch deckt. Ich erkläre das gerne fünfmal. Und es nervt mich auch nicht, ich muss eher schmunzeln. Aber es ist schon völlig anders als bei Quereinsteiger*innen, die vielleicht selber schon Familie und einen Haushalt haben und auf einem ganz anderen Niveau einsteigen.
Was haben Sie als Praxisanleiterin geändert?
Ich habe durchgesetzt, dass die Pausen zusammen verbracht werden, auch wenn anfangs manche die Augen verdreht haben. Private Themen, die der Azubi nicht hören soll, muss man eben zwischendurch besprechen. Weihnachten gibt es nun eine eigene Feier für die Azubis, ich gehe mit ihnen zum Weihnachtsmarkt oder ins Café und die Pflegedienstleitung kommt mit. Mit dieser Lösung sind alle glücklich. Es bringt nichts, den erfahrenen Teams die gemeinsame Weihnachtsfeier aufzuzwingen.
Woher nehmen Sie Ihre Motivation und Ideen?
Wir haben immer weniger Bewerbungen, auch für die Ausbildung. Wenn wir neue Auszubildende finden wollen, müssen wir zuhören. In den Feedbackgesprächen wünschen sich alle immer mehr Zeit mit der Mentorin. Ich versuche, ihnen so viel Zeit zu geben, wie ich kann. Sie bei privaten Krisen aufzufangen. Dinge einfach und in Jugendsprache zu erklären. Und ich weiß, dass sich schlechte Erfahrungen herumsprechen. Es ist also wirklich wichtig, sich selbst bei den Praktikant*innen Mühe zu geben. Ich hole mir am letzten Tag ein ehrliches Feedback von ihnen und frage: „Was hat dir nicht gefallen? Wer ist nicht gut mit dir umgegangen?“ Es geht nicht darum, Namen zu nennen, sondern strukturelle Probleme aufzudecken. Aber es kommt durchaus deutliche Kritik. Es geht nicht anders, als dass die erfahrenen Pflegekräfte lernen umzudenken. Grundsätzlich versuche ich, mit den jungen Leuten auf einer Wellenlänge zu kommunizieren. Und ich versuche, aus ihnen herauszukitzeln, wie man sie für die Pflege begeistern kann, wo sie sich über Berufe informieren. Was ich hier mache und aufgebaut habe, das sind alles meine eigenen Ideen, und bis jetzt habe ich nur positive Rückmeldungen bekommen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ich denke, beruflich bin ich angekommen. Ich hoffe, dass ich nach 30 Jahren in der Pflege nicht auch sage „Das haben wir schon immer so gemacht“, wenn jemand mit einer neuen Idee kommt. Wir werden sehen!
Text: Diakonie/Maja Roedenbeck Schäfer