„Stress lass nach!“ Aber wie?
Gesundheitstag für Pflegemitarbeiterinnen
Sie arbeiten oft am Limit, gegen die Uhr und opfern sich für andere auf. Die Anerkennung dafür ist herzlich gering: Pflegekräfte in Krankenhäusern und in der Altenpflege haben es schwer. Was können sie tun gegen Stress und für mehr inneren Ausgleich und Stärke? Diese Fragen standen beim 1. Gesundheitstag des Diakonischen Werks Meißen am Dienstag im Mittelpunkt.
Knie, Rücken und Nacken sind bei Pflegekräften besonders belastet. Sie arbeiten ständig gegen die Uhr und unter Zeitdruck. "Au! Das tut weh. Meine Bandscheibe", klagt Kerstin Bias, die rücklings auf der Fitnessmatte liegt und ihren Rumpf weiter heben soll. Physiotherapeutin Claudia Päßler lacht und lockt die Altenpflegerin, sich noch ein bisschen anzustrengen. Bauchmuskeln seien wichtig für einen starken Rücken, erklärt die Bewegungsexpertin. Altenpflegerin Bias hört genau zu. Schließlich ist sie freiwillig zum Rücken-Workshop gekommen. "Ich erhoffe mir Tipps, damit ich weniger Bandscheibenschmerzen habe", sagt sie über ihre Teilnahme am Gesundheitstag des Diakonischen Werks in Meißen. Das hatte seine 220 Mitarbeiter der beiden Einrichtungen zu Fachvorträgen zu Achtsamkeit, Diabetes-Vorbeugung, aber auch Rückenschule, Hörtests und Fußbettmessungen eingeladen.
Sich im Alltag bewusst Gutes tun
Beim Gesundheitstag dabei ist auch ein orthopädischer Schuhtechniker, der Füße vermisst, um Fehlstellungen festzustellen. Veronika Kuhring will von ihm die Füße vermessen lassen. Vorher will sich die Diakonie-Mitarbeiterin noch über die Klangschalentherapie informieren. "Bei meiner Arbeit in der sozialen Beratung muss ich viel stehen und laufen. Da ist es wichtig, sich etwas Gutes zu tun." Die Weinböhlaerin findet es wichtig, dass man als Beschäftigter selbst etwas für seine Gesundheit tut. Allerdings kennt sie ein schwerwiegendes Problem im Alltag: "Man vergisst regelmäßig etwas zu machen. Das fällt einem erst wieder ein, wenn man Schmerzen verspürt."
Pflegeberufe sind besonders belastend
Beschäftigte in Pflegeberufen sind besonders häufig krank: 2018 waren Krankenpflegerinnen und -pfleger durchschnittlich 19,3 Arbeitstage lang arbeitsunfähig. In der Altenpflege lagen die Ausfalltage pro Beschäftigten bei 24,1 Tagen. Zum Vergleich: Der Bundesdurchschnitt liegt bei 16,1 Tagen. Die häufigsten Krankheiten in Pflegeberufen sind Muskelerkrankungen und psychische Störungen. (Quelle: Repräsentative Befragung des Dachverbands der Betriebskrankenkassen)
An dem Punkt setzt der Psychologe Franz Möckel vom Institut für Prävention, Diagnostik und psychische Gesundheit an. Er rät den Zuhörern, für sich herauszufinden, was ihnen gegen Stress gut tue. Achtsamkeit bedeutet für Möckel, gewöhnliche Dinge auf nicht gewöhnliche Weise zu tun: durchatmen, bewusst Kaffeepause einlegen, Lieblingsmusik hören, im Hier und Jetzt die Dinge wahrnehmen, sich bewegen oder tief durchatmen. "Das sollte man dann in seinen Alltag integrieren, zum Beispiel beim Warten an der Ampel, im Stau oder in der Mittagspause."
Automatisierte Entspannung im Alltag nennt Physiotherapeutin Claudia Päßler das in ihren Rückenschulkursen. "Ich weiß, viele Beschäftigte sind nach der Arbeit zu kaputt, um ins Fitnessstudio zu gehen oder sich eine Stunde Zeit für Übungen zu nehmen." Deshalb rät auch sie, sich bewusst zu bewegen, beispielsweise beim Telefonieren, beim Gang in die Kantine oder zehn Minuten zwischendurch. Sie sieht aber auch die Arbeitgeber in der Pflicht: "Pflegeberufe sind schwer. Es müsste viel mehr Angebote und Kurse über die betriebliche Gesundheitsvorsorge in den Firmen geben. Das wird ja auch steuerlich gefördert", meint die Physiotherapeutin.
Arbeitgeber in der Pflicht "Ja, Kurse im Haus wären eine Möglichkeit", sagt Diakonie-Vorstand Frank Radke. Er will den Bedarf mit den Mitarbeitern in Meißen besprechen. In der Pflegebranche sei es wichtig, dass Pausenzeiten eingehalten würden, Arbeitgeber Hilfsmittel für rückenschonendes Arbeiten bereitstellen und die Aufgaben in ihrer Arbeitszeit erledigt werden können. "Ich bin ein Befürworter ordentlicher Dienstpläne mit genug Belegschaft, dass der Plan gestaltet werden kann", sagt Radke. "Wir müssen Antworten finden für mehr Ausgleich und unser Handeln zu bedenken." Radke verweist dabei auch auf kleine Dinge im Arbeitsalltag, wie Ernährung. Ob man in stressigen Momenten zu Cola oder Limo greife oder lieber doch zu Wasser und Obst, das die Diakonie den Mitarbeitern bereitstellt. Den Gesundheitstag sieht der Diakonie-Vorstand daher als ersten Schritt auf einem langen Weg zu mehr Achtsamkeit.
Quelle: MDR/kk
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